19. Februar 2021

5 Jahre „Hartz und herzlich“: Über die Wirklichkeit und unsere Bilder von ihr

Sozialreportagen sind eine prägende Programmfarbe bei RTLZWEI. Vor fünf Jahren, am 20. Februar 2016, lief bei uns die erste Folge von „Hartz und herzlich“. Der „Eisenbahnsiedlung von Duisburg“ folgten 15 Primetime-Staffeln, drei Daytime-Staffeln und viele weitere Doku-Formate zu gesellschaftlich relevanten Themen. 

Von Anfang an war klar, dass das Genre Sozialreportage bei RTLZWEI anders ausschauen würde und musste. Wir sind nicht diejenigen, die sich aufs Podest stellen, die Welt erklären oder genau wissen, wie sie sein sollte. RTLZWEI ist einfach dabei. Wir zeigen, was ist, und wir hören zu, geben den Menschen in „Hartz und herzlich“ und anderen Dokus Raum für ihre Gedanken und Gefühle. 

Seit elf Jahren ist Angela (33) vom Staat abhängig und kommt nur schwer mit ihrem Einkommen aus. Einziger Lichtblick scheint ihr neuer Freund Florian (26) zu sein.
Claudia aus Köln

Selbstverständlich können und wollen wir nicht alles zeigen, was das Team von UFA Show & Factual bei den Dreharbeiten sieht und hört. Aber uns abwenden und wegsehen wollen wir gerade nicht. Unsere Protagonisten bestätigen uns immer wieder, dass sie dieses Hinschauen und Zuhören schätzen, weil es sonst nie geschieht. Meistens wird über sie geredet als ein soziales Problem, das Experten lösen müssen. Mit ihnen redet kaum jemand. 

Durch „Hartz und herzlich“ sind sie aus der Armutsstatistik herausgetreten und werden als starke Menschen sichtbar, die uns viel zu erzählen haben. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer sind berührt, helfen mit Spenden und auch tatkräftig vor Ort. 

Wahr ist aber auch, dass uns „Hartz und herzlich“ einige Kritik eingebracht hat. So beklagen Bewohner der gezeigten Orte regelmäßig, dass ihre Nachbarschaften falsch dargestellt würden. Es sei gar nicht so schlimm dort, so arm und schmutzig, und das Schöne und Gute werde nicht gezeigt. 

Claudia (54) lebt seit 12 Jahren in Bickendorf
Angela und Florian aus Pirmasens

Das ist richtig insofern, als wir keine umfassenden Porträts der betroffenen Städte oder Stadtviertel zeichnen und zeichnen wollen, sondern Porträts von Menschen, die dort wohnen. Wir verstehen die Enttäuschung, wenn unsere Bilder nicht deckungsgleich sind mit denen, die Menschen von ihrer Heimat haben. Es ist aber nicht richtig, dass wir allein auf Elend und Verwahrlosung starren. Es gibt reichlich „normales“ Leben in den Reportagen, wobei „normal“ eine Wertung ist, die wir uns nicht anmaßen wollen. 

Daher füttern wir auch nicht das Klischee vom faulen Arbeitslosen. Wir blenden Leben und Haltungen nicht aus, weil sie uns empören. Genauso zeigen wir Frauen, Männer und Kinder, die mit Fleiß, Humor und Erfolg gegen ihre Lage ankämpfen. Tatsachen werden erst durch das Urteil des Betrachters zum Stigma. Wir urteilen nicht. 

Thomas (46) hat seine beruflichen Chancen schon längst aufgegeben und lebt als Führentner in Salzgitter-Lebenstedt
Thomas aus Salzgitter

Das Wichtigste: Kein Kritiker hat uns seit dem Start von „Hartz und herzlich“ nachweisen können, dass das, was wir zeigen, nicht wahr ist. Es gibt kein Drehbuch, kein Mitwirkender wird aufgefordert, Dinge zu tun, die er oder sie sonst nicht tun würden, niemandem werden Worte in den Mund gelegt. Dafür stehen wir gerade. Es geht auch nicht anders, wenn man Menschen über Monate und Jahre begleitet. Ohne Vertrauen und Respekt würden sie uns nicht immer wieder die Türe öffnen. 

Wir sind nicht unfehlbar, aber wir sind transparent, in dem, was wir tun, und stellen uns jederzeit dem konstruktiven Dialog über unsere Dokus und Reportagen. 

„Hartz und herzlich“ gibt in der Primetime Einblicke in Lebenswelten, die in den Medien sonst nur selten zu sehen sind. Wer durch die Programme zappt, könnte meinen, wir gehören alle zur oberen Mittelschicht und leben in schönen Altbauwohnungen und Villen mit Designerküche. „Hartz und herzlich“ sensibilisiert für eine andere Realität und löst damit Diskussionen aus. Das ist ein Erfolg. An der Problematik Armut in Deutschland hat sich seit dem Start des Formats leider nichts geändert. Deshalb werden wir weiter hinschauen. 


Veröffentlicht am 19. Februar 2021 im Bereich: Programm.
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